Wie realistisch ist eine bayerische Kultur-Entwicklungsplanung?

Mit einem Antragspaket setzt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Bayerischen Landtag in dieser Legislatur eine Kulturentwicklungsplanung für den Freistaat auf die Tagesordnung. Ein erster Antrag aus dem April 2022 fordert ein „Kulturpolitisches Landesentwicklungskonzept“[1]. Zwei weitere Anträge aus dem Januar und Februar 2023 ergänzen diese Forderung um eine Stelle für dialogische Beteiligungsprozesse[2] sowie einen jährlichen Kulturförderbericht.[3]

In den Plänen der Grünen bildet eine öffentliche Debatte Grundstein für einen bayerischen Kulturentwicklungsplan. An dieser sollen (nicht-)staatliche Kultureinrichtungen, Künstler*innen sowie Vertreter*innen aus Politik und Gesellschaft teilnehmen. Ausgehend von diesem breit angelegten Diskurs sollen Förderbereiche wie Digitalisierung, Vermittlung, ländliche Räume oder Nachhaltigkeit festgelegt und somit Ziele für die zukünftige bayerische Kulturpolitik definiert werden.

Scharfe Kritik der Opposition und wenig Aussicht auf Erfolg

Das von der Kulturpolitikerin Sanne Kurz erarbeitete Antragspaket kritisiert die Bayerische Staatsregierung aufs Schärfste. Anlässlich eines Pressetermins im März 2023 spricht Kurz von einer „Kulturpolitik nach Gutsherrenart“[4] und kritisiert weiter: „In der Kulturpolitik des Landes fehle ein nachvollziehbarer, langfristiger Plan.“[5] Wie realistisch ist aber eine bayerische Kulturentwicklungsplanung? 

Die Antwort ist unrealistisch. Denn der amtierende bayerische Kunst- und Wissenschaftsminister Markus Blume erteilte einer Kulturentwicklungsplanung umgehend eine Absage. Nach der Forderung der Grünen gefragt sagte Blume: „Ein den Kultureinrichtungen vorgegebener staatlich angeordneter Plan, wie sich Kunst und Kultur zu entwickeln haben wird der gesellschaftlichen Bedeutung von Kunst nicht gerecht.“[6] Außerdem sei das staatliche Handeln im Freistaat darauf gerichtet, „Freiräume für kulturelles Wirken zu eröffnen, nicht dieses durch Zielzahlen und Schlagwortvorgaben zu reglementieren.“[7]

Große Baustellen in der Landespolitik

In der politischen Auseinandersetzung um eine bayerische Kulturentwicklungsplanung treten unterschiedliche Auffassungen von Kulturpolitik zutage, die eine lösungsorientierte Debatte zur Zukunft des Kulturstandorts Bayern erschweren. Tatsächlich aber ist eine solche Zukunftsdebatte dringend von Nöten. Neben einer fehlenden Kontinuität an der Ministeriumsspitze ballen sich allein in der Landeshauptstadt München mehre Kultur-Großbaustellen. Kommt ein neues Konzerthaus? Was ist mit der seit über zehn Jahren geplanten Sanierung des Haus der Kunst? Wird das neuartige Life-Science-Museum Biotopia realisiert oder nicht? Und auch außerhalb Münchens werden Projekte der Staatsregierung wie zum Beispiel das Zukunftsmuseum in Nürnberg kritisiert.

Viele dieser Projekte stehen auf Grund von Kritik aus den Reihen der regierenden CSU/Freie Wähler-Fraktion auf der Kippe. Auf welcher Grundlage werden Projekte angesichts knapper Haushaltsmittel priorisiert? Während die Öffentlichkeit ungeduldig auf Antworten warten, hüllen sich die Verantwortungsträger in Schweigen. Als ob die Herausforderungen nicht groß genug seien, stellen die digitale und nachhaltige Transformation von Kultureinrichtungen den behäbigen Verwaltungsapparat des Freistaats auf die Probe. 

Ansätze einer bayerischen Kulturentwicklungsplanung 

Der eingangs skizzierte Gegensatz zwischen einer gestaltenden und einer bürgerlich-zurückhaltenden Kulturpolitik prägt die bayerische Diskussion seitjeher. Dies zeigt sich auch in der Arbeit der Regionalgruppe.  So stand beispielhaft eine Kulturentwicklungsplanung seit Gründung der bayerischen KuPoGe-Regionalgruppe Anfang der 1990er Jahre zur Diskussion.[8]

Doch Überlegungen zu einer bayerischen Kulturentwicklungsplanung stießen – wie auch heute – von Beginn an auf massive Ablehnung durch die Staatsregierung. Diese Abwehrhaltung liegt einerseits in der Semantik der „Planung“ begründet. So lehnt der bayerische Kunstminister Blume eine Reglementierung durch „Zielzahlen und Schlagworte“ ab. Ähnlich wie die Begriffe „Soziokultur“ oder „Kultur für Alle“ steht die Kulturentwicklungsplanung im Lichte der „Neuen Kulturpolitik“, die Kulturpolitik als Gesellschaftspolitik versteht. Ein solches Verständnis von Kulturpolitik stößt abseits der bayerischen Kommunen auf wenig Gegenliebe. Erschwerend kommt hinzu, dass bis zur Initiative der Grünen Anfang des Jahres 2023 Ideen für eine Kulturentwicklungsplanung in den Parteien des Freistaats wenig bis kaum verankert waren. Auch besaßen die Überlegungen der bayerischen KuPoGe überwiegend appelativen Charakter.

Es braucht ein strategisches und überparteiliches Vorgehen 

Das Antragspaket der Grünen ist aktuell nicht mehrheitsfähig. Die prompte öffentliche Ablehnung durch den zuständigen Minister verbietet zudem jede Hoffnung auf eine konstruktive Debatte. Die anstehende Landtagswahl im Herbst erschwert dies zusätzlich. Jede inhaltliche Diskussion unterliegt aktuell den Wahlkampf-Ritualen zwischen Regierung und Opposition. Zwar hat die Staatsregierung Oppositions-Anträge in der Vergangenheit mit einiger Verzögerung dankbar aufgegriffen. Dies gilt in der Regel jedoch für konkrete Anliegen. Es ist anzunehmen, dass die über Jahre aufgebauten Widerstände eine ergebnisoffene Diskussion zu gunsten eines bayerischen Kulturentwicklungsplans verhindern.

Um eine bayerische Kulturentwicklungsplanung zu realisieren, benötigt es eine überparteiliche und gut vorbereitete Initiative mit langem Atem. Es wäre notwendig, die Idee eines Kulturentwicklungsplans aus der Oppositions-Ecke herauszuholen und die über Jahre kultivierte Abwehrhaltung von Innen aufzulösen. Welche Akteure hierzu einen Beitrag leisten können ist schwer zu sagen. Aktuell formieren sich mit der Ständigen Konferenz für Kunst und Kultur in Bayern SK3 und der Initiative Kultur Zukunft neue, in der post-pandemischen Situation entstandene Projekte.[9] Ob die bayerische Regionalgruppe einen Beitrag zu einer möglichen Kulturentwicklungsplanung im Freistaat leisten kann, ist fraglich. Nach Jahren des personellen Umbruchs wird sich zeigen müssen, wie eine zukunftsweisende Arbeitsweise aussieht. Aufgrund der erheblichen Widerstände in der Staatsregierung und der somit als gering einzuschätzenden Erfolgschancen einer Kulturentwicklungsplanung muss diskutiert werden, ob die Men- und Womenpower der Regionalgruppe nicht besser in andere Projekte fließen sollte.


[1] Bayerischer Landtag, Drucksache 18/22218 vom 5. April 2022, Kulturstaat Bayern 2030 — Kulturpolitisches Landesentwicklungskonzept für den FreistaatDrucksache 18/22218 (landtag.de).

[2] Ders., Drucksache 18/27266 vom 02.02.2023, Haushaltsplan 2023; hier: Landesentwicklungsplan Kultur: Stelle für dialogischen Beteiligungsprozes, Drucksache 18/27266 (landtag.de).

[3] Ders., Drucksache 18/26888 vom 08.02.2023, Öffentliche Mittel zielgerichtet, transparent und verantwortlich nutzen: Kulturförderbericht für den Kulturstaat Bayern entwickelnDrucksache 18/26888 (landtag.de).

[4] Veronika Lintner, „Streitpunkt Kulturförderung: Wohin fließt das Geld des Freistaats?“ in: Augsburger Allgemeine, 06.03.2022, Kultur in Bayern: Streitpunkt Kulturförderung: Wohin fließt das Geld des Freistaats? (augsburger-allgemeine.de).

[5] Ebd.

[6] Veronika Lintner, „‚Wir wollen keine gläserne Kultur‘ – Kulturminister Blume gegen Forderungen der Grünen“, in: Augsburger Allgemeine, 08.03.2022, Kulturpolitik: “Wir wollen keine gläserne Kultur” – Kulturminister Blume gegen Forderungen der Grünen (augsburger-allgemeine.de).

[7] Ebd.

[8] Siehe hierzu z.B. die Diskussionsgrundlage zu Bausteinen einer Bayerischen Kulturpolitik aus dem Jahr 2008, Microsoft Word — bau80210gesamt.doc (kupoge.de).

[9] Siehe die Websites Home (sk3.bayern) und Initiative Kultur Zukunft.