Vom Scheitern in der Immobilienkrise: Geplatzte Zwischennutzung im Kaufhof am Stachus München

Immobilien und München – dieses Begriffspaar verspricht Drama. Aktuell ist die Münchner Innenstadt durch die Krise des Immobilienmarkts geprägt. Besonders der Zusammenbruch des Benko-Imperiums hinterlässt Spuren. Die SZ titelt »Willkommen in der Bauruinenstadt München«[1]. Was kann Kulturpolitik im Angesicht der Verwerfungen des Immobilienmarkts leisten?

Zwischennutzung als unternehmerisches Abenteuer

Ein vieldiskutierter Baustein ist die temporäre Umwidmung von Leerstand. Eine Besonderheit auf dem heiß gelaufenen Münchner Immobilienmarkt sind die unterschiedlichen Kontexte von Zwischennutzungen. Zum einen tritt die Stadt als Förderer und Vermittler auf. Zum anderen sind Zwischennutzungen zunehmend durch privatwirtschaftliche Akteure geprägt, die in wechselnden Kontexten mit Investoren, Projektentwicklern oder der Stadt zusammenarbeiten.

Ein solcher Kreativ-Unternehmer ist der Münchner Michi Kern, der eine Vielzahl von erfolgreichen Zwischennutzungen mit namenhaften Investoren und Eigentümern realisierte.[2] In der Regel lohnt sich die Zusammenarbeit für alle Beteiligten: Eigentümer bringen komplizierte Immobilien ins Gespräch und überbrücken Planungsphasen. Der Kreativunternehmer kann in großer Freiheit spannende Flächen bespielen und Einkünfte aus Mieteinnahmen oder Sponsoring-Kooperationen erzielen. Ein aktuelles Beispiel zeigt, dass es auch anders kommen kann.

Gescheiterte Zwischennutzung im Kaufhof am Stachus

Das Interesse an neuen Nutzungskonzepten von Warenhäusern ist immens.[3] Als Lehrstück von überregionaler Bedeutung verdeutlicht das Scheitern einer groß angekündigten Zwischennutzung im ehemaligen Kaufhof am Münchner Stachus, was für eine Herkules-Aufgabe die Weiterentwicklung ehemaliger Warenhäuser ist.

Besonderheit des Kaufhof Beispiels ist, dass die Immobilie einer Münchner Familie gehört. Die jüngere Geschichte des Kaufhofs ist nichtsdestotrotz durch Benko-Geschäftspraktiken geprägt. Als Sprecher der Kaufhof-Immobilien-Eigentümer Familie äußert sich Michael Zechbauer kritisch: Seiner Familie sei vertraglich eine Sanierung nach 70 Jahren Kaufhof-Nutzung zugesichert worden. Diese sei aber zum Schaden der Familie nicht erfolgt.[4]

Nach Schließung des Warenhauses 2022 stellten Michael Zechbauer und Michi Kern gemeinsam ein ambitioniertes Zwischennutzungsprojekt für den leerstehenden Kaufhof vor. Aus Mitteln des bayerischen Förderprogramms Bayerischer Sonderfonds »Innenstädte beleben« wurde das Projekt ab Sommer 2023 mit ca. 298.000 Euro gefördert.[5]

Haustechnik als unlösbares Problem?

Unter dem Titel Lovecraft wurde die wolkige Rettung der Innenstadt beschworen. Als Leiter der Münchner Wirtschaftsförderung äußert sich Kurt Knapp zum Projekt: »Lovecraft sorgt für Belebung und kreative Inhalte […]. Das Projekt setzt Zeichen der Flexibilität und Offenheit. Das wird weit über München und Bayern hinaus sichtbar sein.«[6]

Das von Kern und einem mehrköpfigen Team entwickelte Lovecraft Konzept sah eine Mischnutzung aller sieben Kaufhof Etagen vor. Von Kunstausstellungen, Co-Working-Spaces, Gastronomie und Cafés über Indoor-Spielplätze und Maker-Spaces wurde eine urbane Abenteuer- und Erlebnislandschaft konzipiert. Kostenlose Freizeitmöglichkeiten sollten junge Menschen in die Stadt locken und einen Gegenpol zu Konsum und Kommerz markieren. Während Kern mit dem Eigentümer über die Haustechnik verhandelte, schloss die gegründete Betreiber GmbH bereits Mietverträge mit Nutzer*innen der aufbereiteten Flächen.

Umbaumaßnahmen fanden ab Mitte 2023 stand. Parallel wurde mit allen städtischen Behörden an einer Betriebsgenehmigung gearbeitet. Anfang September 2023 öffnete der neue Kaufhof für ein Schnupper-Wochenende. In der Presse war bereits von Verzögerungen auf Grund „baurechtlicher Auflagen“ zu lesen.[7] Es sollte nie zu einer Öffnung kommen.

Rückblickend wurde der Aufwand unterschätzt, mit dem die Haustechnik in Hinblick auf ein vielfältiges Misch-Nutzungskonzept überholt und Brandschutzkonzepte aktualisiert werden mussten. Über die tatsächlichen Gründe, die zum Scheitern führten, existieren widersprüchliche Erzählungen. Fakt ist: Die technischen Hürden haben sich für eine Zwischennutzung als zu kostspielig erwiesen. Keiner der Partner war bereit, die Mehrkosten zu tragen. Die Folge: Streit und Verlierer auf allen Seiten. Es ist unklar, wie es weiter geht. Denn das Scheitern eines Projekts sei in der Beschlussvorlage zu den Fördergeldern nicht vorgesehen.[8]

Wer und was ist gescheitert?

Es ist nicht leicht zu bestimmen, wer oder was bei der Zwischennutzung des Münchner Kaufhofs gescheitert ist. Der Immobilienmarkt mit seinen Beteiligten ist komplex. Zwischennutzungsprojekte in der Größe des Lovecraft sind nur aus einer Multiperspektivität heraus zu verstehen. Der skizzierte Fall des Kaufhof am Münchner Stachus handelt deswegen vom Scheitern privatwirtschaftlicher Player, vom Scheitern von Business-Cases, vom Scheitern von Förderprojekten und grundsätzlich vom Scheitern der öffentlichen Hand, angemessen auf dubiose Geschäftspraktiken, Leerstand und Immobilienspekulation zu reagieren. 

Es ist zu hoffen, dass eine Diskussion des geschilderten Falls dabei helfen kann, politische Fragen in den Blick zu nehmen, die auf eine Stärkung der Handlungsfähigkeit der öffentlichen Hand in der aktuellen Immobilienkrise zielen.


[1] Siehe die gleichnamige SZ-Kolumne von Wolfgang Görl, 23. Februar 2024. Auf Bauzäunen vor der Alten Akademie in der Neuhauser Straße prangen Kommentare wie: »Ohne Kapitalismuskritik ist das nicht zu verstehen« oder »Am Anfang stand die Privatisierung«.

[2] Beispiele sind z.B. das Pop-up-Hotel The Lovelace, das zu einem Kulturzentrum in der Münchner Altstadt avancierte oder das Projekt Sugar Mountain in einem alten Betonwerk in Sendling.

[3] Siehe BBE Handelsberatung (Hg.), Whitepaper: Nachnutzungen von Warenhäusern, 2023.

[4] Franziska von Mutius, „Das ist eine Schweinerei“ – Milliardär Benko schicke Mitarbeiter ins Nichts, vergoldet dafür seine Immobilien, in: Bild, 22.03.2023.

[5] Landeshauptstadt München, „Fördergelder für das Zwischennutzungsprojekt „Lovecraft“, in: Rathaus Umschau 169 / 2023.

[6] Ebd.

[7] Siehe Katja Kraft, „Neues Lovecraft am Münchner Stachus: Heiße Ware im alten Kaufhof!“ Münchner Merkur, 05. September 2023.

[8] Jan Krattiger, „Lovecraft-Ende am Stachus: Was passiert nun mit den Steuergeldern von rund 300.000 Euro?“ Abendzeitung, 10. Dezemeber 2023.