Frischer Wind für das kulturpolitische Entwicklungsland Bayern? Die Ständige Konferenz für Kunst und Kultur (SK3)

Zweifelsfrei steht Kulturpolitik aktuell vor großen Herausforderungen. Es ist deswegen nicht verwunderlich, dass sowohl auf programmatischer als auch auf organisatorischer Ebene einschneidende Veränderungen zu beobachten sind. Inhaltlich tragen unter anderem Diversität, Digitalisierung und Nachhaltigkeit zur Weiterentwicklung kulturpolitischer Programmatik bei. Bestes Beispiel hierfür ist die Arbeit der Kulturpolitischen Gesellschaft in den letzten Jahren. Darüber hinaus befördert der anhaltende Transformationsdiskurs die Entstehung neuer Organisationen. Auf Bundesebene erhielt beispielsweise die Diskussion um einen kultur-spezifischen Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels wichtige Impulse durch das Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit.

Zwei neue Akteure prägen die bayerische Kulturpolitik

Doch nicht nur im Bund, auch im kulturpolitischen Entwicklungsland Bayern gerät das institutionelle Gefüge der Kulturlandschaft in Bewegung. Mit der aus Freundeskreisen von Kultureinrichtungen hervorgehenden Initiative Kulturzukunft[1] sowie der spartenübergreifenden Ständigen Konferenz für Kunst und Kultur in Bayern (SK3) [2]etablieren sich neue Akteure, die Herausforderungen benennen oder auf Defizite im Freistaat aufmerksam machen. Als landesweite Stimme des Publikums betont die Initiative Kulturzukunft den massiven Investitionsbedarf, der zur Aufrechterhaltung kultureller Infrastruktur notwendig ist. Dazu fordert die Initiative eine strategische Planung bayerischer Kulturpolitik. Ins gleiche Horn bläst auch die von SK3 beabsichtigte gemeinsame „Kulturagenda“. Somit gerät die defizitäre bayerische Kulturpolitik sowohl von Seiten des Publikums als auch aus den Reihen der Kreativen und Kulturschaffenden unter Druck. Ob tatsächlich ein frischer Wind in die bayerische Kulturpolitik einzieht, bleibt jedoch abzuwarten. Immerhin wurde die Gründungserklärung der SK3 bereits als „epochales Abkommen“ beschrieben.[3]

Drei Gründe für die verzwickte bayerische Sondersituation

Tatsächlich ist die Ausgangslage in Bayern besonders. Denn auf Landesebene gibt es keine einheitliche Interessenvertretung für die Kultur. In anderen Bundesländern gibt es – wie auf Bundesebene auch – das Format eines Kulturrats als Spitzenverband zahlreicher Verbände. In Bayern ist dies nicht der Fall. Folglich dominieren Partikularinteressen, die eine Professionalisierung der kulturpolitischen Lobbyarbeit sowie die Durchsetzung von Zielen erschweren.

Zwar gab es immer wieder Versuche ein solches, gemeinsames Sprachrohr für die Kultur ins Leben zu rufen. Dies scheiterte jedoch aus mindestens drei Gründen. 1) Da ist einerseits die Größe des Freistaats als Flächenland. Einzelne Regionen von Franken bis Schwaben haben ausgeprägte, eigenständige regionale Identitäten. 2) Gleichzeitig mangelt es an einer Kooperationskultur. Die solidarische Durchsetzung gemeinsamer Ziele setzt die Einsicht voraus, dass eine gemeinsame Stimme innerhalb eines Spitzenverbandes alle stärkt. Der eine oder andere Sparten-Verband, wie zum Beispiel der Bayerische Musikrat mit guten Kontakten in die Politik, riskiert den Verlust einer privilegierten Stellung. 3) Letztlich befördert die zersplitterte bayerische Kultur(nehmer)landschaft eine Kulturpolitik nach Gutsherrenart. Polemisch könnte man behaupten, dass diese Sondersituation für die bayerische Staatsregierung durchaus komfortabel ist. Denn Bayern ist Bayern und was aus Bayern kommt ist per se gut.

Die Pandemie als Game-Changer für eine ständige Konferenz für Kunst und Kultur

Es bleibt abzuwarten, ob die bayerische Kulturpolitik – befördert durch aktuelle Herausforderungen – in Bewegung kommt. Im Zuge der Corona-Pandemie wurde offensichtlich, dass das bestehende organisatorische Akteurs-Tableau kommunikativ und politisch nur eingeschränkt handlungsfähig ist. Die größte Kultur-Demonstration während der Pandemie wurde von „Aufstehen für die Kultur“ ohne Zutun großer bayerischer Verbände organisiert.[4] Diese haben aber nicht Nichts getan, sondern sich mit Beginn der ersten Hygienevorschriften im Frühjahr 2020 an die Bayerische Staatsregierung gewandt, um auf die Situation von Kreativen, sowie Kunst- und Kulturschaffenden aufmerksam zu machen.

Die Ansprache erfolgte jedoch unkoordiniert und isoliert voneinander. Schnell entstand deswegen die Idee zur Gründung einer ständigen, kunstformenübergreifenden Interessenvertretung für die Freie Kunst- und Kulturszene in Bayern. Die SK3-Idee war geboren. Die Initiative wurde von Verbänden aus den Bereichen Kunst, Kultur und Kreativwirtschaft vorangetrieben. Es ist diesem exogenen Schock der Pandemie geschuldet, dass sich in der Vor- und Nachbereitung von Sitzungen im Ministerium für Wissenschaft und Kunst Arbeitskontakte zwischen verschiedenen Landesverbänden ergaben.[5]

Es bleiben große organisatorische und strukturelle Fragezeichen

Die Ständige Konferenz für Kunst und Kultur in Bayern (SK3) ist seit nunmehr zwei Jahren aktiv. Stand Sommer 2023 liegt eine unterschriebene Satzung beim Amtsgericht München, sodass die SK3 als eingetragene Verein und somit als formal institutionalisierter Akteur – und Fördernehmer – auftreten kann. Und gerade die Frage der Förderung ist von zentraler Bedeutung. Bis zum jetzigen Zeitpunkt wurden Kosten und Engagement aus den Reihen der Mitgliedsverbände getragen. 

Der Anspruch der SK3, der bayerischen Kultur eine angemessene Geltung zu verschaffen und gemeinsame Stellungnahmen zu erarbeiten, wird nur möglich sein, wenn es gelingt, eine finanzielle und organisatorische Grundlage zu schaffen. Mit der Vereinsgründung ist der erste Schritt in diese Richtung getan. Es wird jedoch nicht ohne eine weitere Institutionalisierung über Finanzmittel des Freistaats gehen. Ob dieser jedoch an einem unabhängigen Kultur-Verband interessiert ist, steht auf einem anderen Blatt. Die Bewilligung einer ersten Projektförderung könnte dahingehend verstanden werden, dass der Freistaat aus den Erfahrungen der Pandemie gelernt hat. 


[1] Siehe https://initiativekulturzukunft.de/.

[2] Siehe https://sk3.bayern/.

[3] Michael Zirnstein, „Künstlereingang ins Ministerium“, in: Süddeutsche Zeitung, 28. November 2022.

[4] Siehe https://aufstehenfuerkultur.de.

[5] Zu den Partnerverbänden und ‑organisationen gehören aktuell der Bayerische Landesverband der Kultur- und Kreativwirtschaft (BLVKK), der Bayerische Landesverband für zeitgenössischen Tanz (BLZT), der Berufsverband Bildende Künstler:innen BBK Bayern, die Landesvereinigung Kulturelle Bildung Bayern e.V. (LKB:BY), der Tonkünstlerverband Bayern e.V. (TKVB), der Verband freier Kinder- und Jugendtheater Bayern e.V. (VFKJTB), der Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller Bayern (VS), der Verband Freie Darstellende Künste Bayern e.V. (VFDKB) und der Verband für Popkultur in Bayern e.V.( VPBy). Assoziiert sind Aufstehen für Kultur und Backstage Heroes, mit dem Bayerischen Musikrat e.V. ist man im Austausch.