Haus der Kunst – 10 Thesen zu einem Neubeginn, September 2019
Schon lange steht
im Haus der Kunst nicht die Kunst im Zentrum. Das Haus benötigt dringend eine
öffentliche Debatte über seine Bedeutung für Bayern und München als
international sichtbare Kultureinrichtung. Der anstehende Umbau stellt alle Freunde
und Freundinnen des Hauses vor die gemeinsame Herausforderung, Lösungen für die
bestehenden strukturellen Probleme zu finden sowie in einen Ideenwettstreit
über die zukünftige künstlerische Ausrichtung zu treten.
Zu diesem Zweck stellen die kulturpolitische Sprecherin von BÜNDNIS 90/GRÜNEN im Bayerischen Landtag, Sanne Kurz, und der LMU Doktorand Christian Steinau das nachfolgende Thesenpapier vor.
1. Die Krise des Haus der Kunst ist institutionell, nicht künstlerisch
Das Haus der Kunst befindet sich in
der größten Krise seiner jüngeren Geschichte. Der Zustand des Hauses ist einzig
und allein strukturell, nicht aber inhaltlich oder gar programmatisch bedingt.
Im Gegenteil: Alle künstlerischen Erfolge der Vergangenheit waren trotz der
strukturellen Unterfinanzierung und nur auf Grund des erheblichen Engagements
aller Mitarbeiter*innen möglich.
Nach einjähriger Vakanz der künstlerischen Direktion des Hauses bedarf die Kulturpolitik der bayerischen Staatsregierung der kritischen Kommentierung. Dabei steht die Verantwortung der Aufsichtsratsmitglieder ebenso zur Debatte wie auch die strukturelle Organisation des Hauses, das seit 1992 als halb öffentliche, halb staatliche „Stiftung Haus der Kunst München, gemeinnützige Betriebsgesellschaft mbH“ fungiert.
2. Das fragile Konstrukt der öffentlich-privaten Partnerschaft „Stiftung Haus der Kunst“ ist gescheitert
Als seit seiner Gründung 1992 fragiles
und nur mit dem aller nötigsten ausgestattetes Konstrukt muss die Stiftung heute
als gescheitert angesehen werden. Hohe Aufwendungen, die nicht dem direkten
Zweck der „Förderung von Kunst und Kultur“ dienten, sowie der Rückzug privater
Sponsoren haben die strukturelle Unterfinanzierung des Hauses offen zu Tage
treten lassen.
§ 6 II der 1992 formulierten Satzung
der Stiftung unterstreicht, dass der Gegenstand des Unternehmens „Förderung von
Kunst und Kultur“ nur erreicht werden kann, wenn sich (private) Gesellschafter
finden, die als Mäzen wirken. Aus diesem Grund legt das Unternehmenskonstrukt
„Stiftung Haus der Kunst“ auch größten Wert auf den Firmenbestandteil
„Stiftung“, da die Gesellschaft am Tropf ihrer zu wiederkehrenden „Stiftungen“
bereiten Gesellschafter hängt.
Derzeit herrscht ein Zustand geteilter
Verantwortungslosigkeit: Der Freistaat wartet auf private Sponsor*innen, diese
wiederum warten auf das Engagement des Freistaats.
Als Nachfolgeinstitution des unter den Nationalsozialisten zur Instrumentalisierung der Bildenden Künste genutzten „Haus der Deutschen Kunst“ erfüllt das Haus der Kunst eine wichtige öffentliche Aufgabe. Der Freistaat Bayern hält 78% an der Stiftung – als Mehrheitsgesellschafter wird er seiner Verantwortung nicht gerecht. Ein weiteres Aussitzen der institutionellen Krise ist unverantwortlich. Aus diesem Grund ist eine deutliche Erhöhung der finanziellen Grundfinanzierung des Hauses durch den Freistaat geboten.
3. Die Identität des Hauses definiert sich konzeptionell
Die heutige Aufgabe des Haus der Kunst
ist es nicht, wie noch in der Nachkriegszeit klassische Kunstwerke einer
interessierten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Vielmehr werden in Zukunft
im Haus neue Formate ästhetischer und kultureller Reflexion entwickelt, die uns
als Gesellschaft helfen, globale Transformationsprozesse zu verstehen.
Ausstellungen internationaler Gegenwartskunst in München bieten der
interessierten Öffentlichkeit wichtige Perspektiven auf die Kunst der
europäischen Moderne und Orientierung innerhalb einer sich rasant verändernden
Weltgemeinschaft.
Es ist die besondere Herausforderung
des Haus der Kunst, die mit seiner Geschichte verbundene künstlerische Moderne
umfassend zu reflektieren. Als Haus ohne eigenständige Sammlung unterscheidet
sich das Haus der Kunst von klassischen Museen, die sich durch ihre Sammlungen
definieren.
Die Identität des Haus der Kunst hingegen definiert sich rein konzeptionell aus der fortwährenden Auseinandersetzung der gesellschaftlichen Möglichkeiten und Bedingungen der Künste. Die erfolgreiche Entwicklung des Haus der Kunst seit den 1990er Jahren beruht auf der kontinuierlichen Arbeit an eben dieser konzeptionellen Programmatik des Hauses. Es ist deswegen entscheidend, wie inhaltlich profiliert und präzise an der Programmatik des Hauses gearbeitet werden kann.
4. Das Haus der Kunst muss unabhängig arbeiten können
Es stellt einen erheblichen Schaden
da, wenn eine Institution wie das Haus der Kunst in der Gefahr steht,
bedeutungslos oder seiner eigenen Geschichte nicht gerecht zu werden. Es ist notwendig,
dass für das Haus der Kunst der Zustand einer dauerhaften und langfristigen Planungssicherheit
hergestellt wird, um die konzeptionelle Arbeit unabhängig von Marktmechanismen,
Freundeskreisen oder Sponsor*innen zu gewährleisten. Mäzenatentum erfüllt eine
wichtige Funktion, sollte eine solide Finanzierung jedoch nur abrunden und
sicherstellen, dass das Haus seinen Ruf als internationales Zentrum der
Gegenwartskunst verteidigen kann.
Seit Gründung der heutigen Institution
wurde die umfassende Arbeitsfähigkeit des Hauses immer wieder nur durch das
Geschick Einzelner hergestellt. Gerade in Hinblick auf den Umbau des Hauses ist
es zentral, nicht auf Einnahmen aus Geschäften wie Vermietung oder Gastronomie
angewiesen zu sein, die nicht der Förderung von Kunst und Kultur dienen.
Weiterhin ist es zwingend notwendig
darüber zu diskutieren, ob die Rechtsform der gmbH, die dazu noch als Stiftung
vermarktet wird, der öffentlichen Bedeutung des Hauses gerecht wird. Warum
garantiert der Freistaat Bayern keine Übernahme der Versicherungshaftung wie in
anderen Bundesländern üblich? Derart könnte der Verwaltungsaufwand reduziert
und erhebliche Finanzmittel für die Förderung von Kunst und Kultur investiert werden.
Im Haus der Kunst muss die Kunst im
Zentrum stehen. Es ist keinesfalls hinzunehmen, dass an einem historisch
sensiblen Ort wie dem Haus der Kunst ein kalter Blick auf die Zahlen
vorherrscht. Das geplante Outsourcing des hochqualifizierten Aufsichts- und
Pförtnerpersonals ist beschämend und einer mehrheitlich durch die öffentliche
Hand getragenen Betriebsgesellschaft nicht würdig. Wer garantiert, dass externe
Dienstleister keine Nazi-Sympathisant*innen ins Haus der Kunst holen und einen
internationalen Skandal provozieren?
Eine mutwillige Zerstörung der Identität des Hauses sowie die Einschränkung der künstlerischen Freiheit aus vermeintlichen betriebswirtschaftlichen Gründen ist dem Stiftungszweck nicht dienlich.
5. Ein unabhängiges Haus der Kunst ist für Gesellschaft und Geldgeber*innen attraktiv
Private Stifter*innen werden von
erfolgreichen Kulturinstitutionen angezogen. Es gilt: Wer viel hat, dem wird
viel gegeben. Anders sieht es hingegen bei einer kriselnden Institution aus.
Es ist erfreulich und wünschenswert,
dass sich private Stifter*innen für den Zweck der Förderung von Kunst und
Kultur in Bayern engagieren. Für die konzeptionelle Arbeit des Haus der Kunst
ist es jedoch zentral, dass das öffentliche Interesse sowie der konzeptionelle
Markenkerns des Hauses bewahrt bleibt.
Das Haus der Kunst darf nicht in einem unerträglichen Maß auf die Förderung privater Stifter angewiesen zu sein. Gleichzeitig darf die Grundfinanzierung des Hauses sowie die inhaltliche Arbeit nicht durch die Akquise von Freund*innen oder Sponsor*innen beeinträchtig werden.
6. Es darf keine Abhängigkeit von privaten Förder*innen entstehen
Die intransparente Entscheidung um die
Ausstellungsabsagen von Joan Jonas und Adrian Piper, war ein kulturpolitischer
Super-GAU. Sie hat eine Schneise der Verwüstung hinterlassen, die verdiente
Mitarbeiter*innen, internationale Partner*innen und renommierte Künstler*innen
vor den Kopf gestoßen hat. Der Ruf des Haus der Kunst ist nachhaltig
beschädigt.
Die Hintergründe der Kooperation
zwischen dem Haus der Kunst und der Galerie Michael Werner sind restlos
aufzuklären. Es ist beschämend, dass die Staatsregierung den Wunsch nach
Vertraulichkeit bei Informationen zu Eigentumsverhältnissen an Leihgaben höherschätzt, als den
transparenten Umgang mit Steuergeldern.
Es muss sichergestellt werden, dass die strukturell bedingte finanzielle Notlage des Hauses nicht von Galerien oder ‚großzügigen‘ Förderer*innen ausgenutzt wird, die das öffentliche Ansehen des Hauses zur Wertsteigerung ihres Privateigentums nutzen. Statt sich mit der Bedeutung der Ära Enwezor auseinanderzusetzen, wird die Buchhandlung im Haus der Kunst als Resterampe für unverkaufte und antiquarische Lüpertz Kataloge zweckentfremdet.
7. Der Künstlerverbund im Haus der Kunst e.V. muss gestärkt werden
In der Vergangenheit wurde der
Künstlerverbund im Haus der Kunst, ehemals Ausstellungsleitung Große
Kunstaustellung e.V., sukzessive seiner Rechte beschnitten. Der Künstlerverbund
ist ein Gesellschafter der Stiftung, wird aber nicht als solcher behandelt. Es
gilt, die Position der im Haus ansässigen bayerischen Künstler*innen ist zu
stärken.
Durch ein erfolgreiches Gesamtkonzept
kann es gelingen, den Künstlerverbund im Haus der Kunst in seinen Strukturen zu
festigen und in die Abläufe des Hauses zu integrieren. Auf diese Weise kann an
die Geschichte Münchens als Kunstmetropole angeknüpft und die Nähe zur lokalen
Kunstszene sowie der Akademie der Bildenden Künste München gewährleistet
werden.
Der Künstlerverbund bietet dem Haus der Kunst die herausragende Möglichkeit, den Austausch zwischen Künstler*innen in Bayern mit der internationalen Kunstwelt zu forcieren. Dies ermöglicht einen für alle Seiten gewinnbringenden Kulturaustausch, der sich sowohl in Ausstellungen als auch individuellen Beziehungen manifestiert.
8. Das Museum muss in den Stadtraum integriert werden
Das Haus der Kunst hat eine Zukunft
als Institution, die sich programmatisch und künstlerisch mit den umfassenden
Veränderungsprozessen der Gegenwart auseinandersetzt. Dabei bietet der Umbau
des Hauses die Chance, neu zu definieren, was eine Kunstinstitution und was
Wissensformen leisten können.
Gerade der angedachte Umbau des
Westflügels sowie die von Okwui Enwezor in Zusammenarbeit mit dem Architekten
David Chipperfield konzipierte Multifunktionsbühne setzen hier die
institutionelle Entwicklung des Haus der Kunst konsequent fort.
Jahrelang wurde in das Haus der Kunst
nicht investiert, weswegen die Modernisierung u.a. der technischen Anlagen
dringend Not tut. Gleichzeitig muss das Haus der Kunst umfassend in den
umliegenden Stadtraum integriert werden, sodass die Wegführung aus allen
umliegenden Bereichen organisch zum und in das Haus der Kunst verläuft.
Zentraler Maßstab des geplanten Umbaus, und somit der zukünftigen Integration des Haus der Kunst in die bauliche Struktur der Stadt München, ist das Bewusstsein für die Geschichte des Gebäudes. Dies stellt eine Aufgabe dar, die in enger Abstimmung mit der Stadt München sowie der Münchner Stadtgesellschaft entwickelt und diskutiert werden muss.
9. Das Haus der Kunst ist ein zentraler Baustein bayerischer Kulturpolitik
Der Freistaat Bayern fördert Kunst und
Kultur in einem erheblichen Maß. Als renommiertes Haus auf dem Gebiet der
internationalen Gegenwartskunst stellt das Haus der Kunst einen zentralen
Baustein in der bayerischen Kulturpolitik dar.
Wie kaum eine andere Kulturinstitution
in Bayern steht das Haus im Fokus der internationalen Öffentlichkeit und
ermöglicht, die Auseinandersetzung der bayerischen Gesellschaft mit seiner
wechselhaften Geschichte weit über die Landesgrenzen hinaus sichtbar zu machen.
Durch internationale Publikationen sowie Ausstellungskooperationen mit den
bedeutendsten Kunsthäusern der Welt ist das Haus der Kunst zu einem der
wichtigsten Museen für Gegenwartskunst in Deutschland geworden.
Es ist im Interesse des Freistaat Bayerns, die mit dem Haus der Kunst verbundene Erfolgsgeschichte fortzusetzen. Den Vorwürfen der intransparenten, autokratischen und illiberalen Entscheidungsfindung muss zum Wohle der Institution mit Transparenz begegnet werden.
10. Die Krise als Chance – Künstler*innen an die Macht
Seit über einem Jahr ist das Haus auf
dem künstlerischen Auge blind. Dabei bietet die Krise die Chance, an die erfolgreiche
Nachkriegszeit des Haus der Kunst anzuknüpfen. Unter dem kaufmännischen
Gründungsdirektor Peter A. Ade genossen die im Haus ansässigen Künstler*innen
umfassende Autonomie und Mitspracherechte. Die institutionelle Krise bietet die
einmalige Gelegenheit, die Rechte und die Rolle der Künstler*innen im Haus der
Kunst zu stärken.
Die Geschichte des Künstlerverbunds im
Haus der Kunst beruht auf den Prämissen der Selbstorganisation, der
Partizipation und des weltweiten Kulturtransfers. Gerade während des Umbaus
kann die Vakanz einer künstlerischen Direktion genutzt werden, die
international anerkannten und erfolgreichen Mitglieder des Künstlerverbunds in
die künstlerischen Entscheidungsprozesse einzuweihen. Vor dem Hintergrund
weltweiter Veränderung des Feldes der Gegenwartskunst, kann durch die Besinnung
auf das Potential und die Geschichte der Künstlergruppen ein wichtiger Impuls von
München ausgehen.
Haus der Kunst – 10 Thesen zu einem Neubeginn, September 2019
Schon lange steht im Haus der Kunst nicht die Kunst im Zentrum. Das Haus benötigt dringend eine öffentliche Debatte über seine Bedeutung für Bayern und München als international sichtbare Kultureinrichtung. Der anstehende Umbau stellt alle Freunde und Freundinnen des Hauses vor die gemeinsame Herausforderung, Lösungen für die bestehenden strukturellen Probleme zu finden sowie in einen Ideenwettstreit über die zukünftige künstlerische Ausrichtung zu treten.
Zu diesem Zweck stellen die kulturpolitische Sprecherin von BÜNDNIS 90/GRÜNEN im Bayerischen Landtag, Sanne Kurz, und der LMU Doktorand Christian Steinau das nachfolgende Thesenpapier vor.
1. Die Krise des Haus der Kunst ist institutionell, nicht künstlerisch
Das Haus der Kunst befindet sich in der größten Krise seiner jüngeren Geschichte. Der Zustand des Hauses ist einzig und allein strukturell, nicht aber inhaltlich oder gar programmatisch bedingt. Im Gegenteil: Alle künstlerischen Erfolge der Vergangenheit waren trotz der strukturellen Unterfinanzierung und nur auf Grund des erheblichen Engagements aller Mitarbeiter*innen möglich.
Nach einjähriger Vakanz der künstlerischen Direktion des Hauses bedarf die Kulturpolitik der bayerischen Staatsregierung der kritischen Kommentierung. Dabei steht die Verantwortung der Aufsichtsratsmitglieder ebenso zur Debatte wie auch die strukturelle Organisation des Hauses, das seit 1992 als halb öffentliche, halb staatliche „Stiftung Haus der Kunst München, gemeinnützige Betriebsgesellschaft mbH“ fungiert.
2. Das fragile Konstrukt der öffentlich-privaten Partnerschaft „Stiftung Haus der Kunst“ ist gescheitert
Als seit seiner Gründung 1992 fragiles und nur mit dem aller nötigsten ausgestattetes Konstrukt muss die Stiftung heute als gescheitert angesehen werden. Hohe Aufwendungen, die nicht dem direkten Zweck der „Förderung von Kunst und Kultur“ dienten, sowie der Rückzug privater Sponsoren haben die strukturelle Unterfinanzierung des Hauses offen zu Tage treten lassen.
§ 6 II der 1992 formulierten Satzung der Stiftung unterstreicht, dass der Gegenstand des Unternehmens „Förderung von Kunst und Kultur“ nur erreicht werden kann, wenn sich (private) Gesellschafter finden, die als Mäzen wirken. Aus diesem Grund legt das Unternehmenskonstrukt „Stiftung Haus der Kunst“ auch größten Wert auf den Firmenbestandteil „Stiftung“, da die Gesellschaft am Tropf ihrer zu wiederkehrenden „Stiftungen“ bereiten Gesellschafter hängt.
Derzeit herrscht ein Zustand geteilter Verantwortungslosigkeit: Der Freistaat wartet auf private Sponsor*innen, diese wiederum warten auf das Engagement des Freistaats.
Als Nachfolgeinstitution des unter den Nationalsozialisten zur Instrumentalisierung der Bildenden Künste genutzten „Haus der Deutschen Kunst“ erfüllt das Haus der Kunst eine wichtige öffentliche Aufgabe. Der Freistaat Bayern hält 78% an der Stiftung – als Mehrheitsgesellschafter wird er seiner Verantwortung nicht gerecht. Ein weiteres Aussitzen der institutionellen Krise ist unverantwortlich. Aus diesem Grund ist eine deutliche Erhöhung der finanziellen Grundfinanzierung des Hauses durch den Freistaat geboten.
3. Die Identität des Hauses definiert sich konzeptionell
Die heutige Aufgabe des Haus der Kunst ist es nicht, wie noch in der Nachkriegszeit klassische Kunstwerke einer interessierten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Vielmehr werden in Zukunft im Haus neue Formate ästhetischer und kultureller Reflexion entwickelt, die uns als Gesellschaft helfen, globale Transformationsprozesse zu verstehen. Ausstellungen internationaler Gegenwartskunst in München bieten der interessierten Öffentlichkeit wichtige Perspektiven auf die Kunst der europäischen Moderne und Orientierung innerhalb einer sich rasant verändernden Weltgemeinschaft.
Es ist die besondere Herausforderung des Haus der Kunst, die mit seiner Geschichte verbundene künstlerische Moderne umfassend zu reflektieren. Als Haus ohne eigenständige Sammlung unterscheidet sich das Haus der Kunst von klassischen Museen, die sich durch ihre Sammlungen definieren.
Die Identität des Haus der Kunst hingegen definiert sich rein konzeptionell aus der fortwährenden Auseinandersetzung der gesellschaftlichen Möglichkeiten und Bedingungen der Künste. Die erfolgreiche Entwicklung des Haus der Kunst seit den 1990er Jahren beruht auf der kontinuierlichen Arbeit an eben dieser konzeptionellen Programmatik des Hauses. Es ist deswegen entscheidend, wie inhaltlich profiliert und präzise an der Programmatik des Hauses gearbeitet werden kann.
4. Das Haus der Kunst muss unabhängig arbeiten können
Es stellt einen erheblichen Schaden da, wenn eine Institution wie das Haus der Kunst in der Gefahr steht, bedeutungslos oder seiner eigenen Geschichte nicht gerecht zu werden. Es ist notwendig, dass für das Haus der Kunst der Zustand einer dauerhaften und langfristigen Planungssicherheit hergestellt wird, um die konzeptionelle Arbeit unabhängig von Marktmechanismen, Freundeskreisen oder Sponsor*innen zu gewährleisten. Mäzenatentum erfüllt eine wichtige Funktion, sollte eine solide Finanzierung jedoch nur abrunden und sicherstellen, dass das Haus seinen Ruf als internationales Zentrum der Gegenwartskunst verteidigen kann.
Seit Gründung der heutigen Institution wurde die umfassende Arbeitsfähigkeit des Hauses immer wieder nur durch das Geschick Einzelner hergestellt. Gerade in Hinblick auf den Umbau des Hauses ist es zentral, nicht auf Einnahmen aus Geschäften wie Vermietung oder Gastronomie angewiesen zu sein, die nicht der Förderung von Kunst und Kultur dienen.
Weiterhin ist es zwingend notwendig darüber zu diskutieren, ob die Rechtsform der gmbH, die dazu noch als Stiftung vermarktet wird, der öffentlichen Bedeutung des Hauses gerecht wird. Warum garantiert der Freistaat Bayern keine Übernahme der Versicherungshaftung wie in anderen Bundesländern üblich? Derart könnte der Verwaltungsaufwand reduziert und erhebliche Finanzmittel für die Förderung von Kunst und Kultur investiert werden.
Im Haus der Kunst muss die Kunst im Zentrum stehen. Es ist keinesfalls hinzunehmen, dass an einem historisch sensiblen Ort wie dem Haus der Kunst ein kalter Blick auf die Zahlen vorherrscht. Das geplante Outsourcing des hochqualifizierten Aufsichts- und Pförtnerpersonals ist beschämend und einer mehrheitlich durch die öffentliche Hand getragenen Betriebsgesellschaft nicht würdig. Wer garantiert, dass externe Dienstleister keine Nazi-Sympathisant*innen ins Haus der Kunst holen und einen internationalen Skandal provozieren?
Eine mutwillige Zerstörung der Identität des Hauses sowie die Einschränkung der künstlerischen Freiheit aus vermeintlichen betriebswirtschaftlichen Gründen ist dem Stiftungszweck nicht dienlich.
5. Ein unabhängiges Haus der Kunst ist für Gesellschaft und Geldgeber*innen attraktiv
Private Stifter*innen werden von erfolgreichen Kulturinstitutionen angezogen. Es gilt: Wer viel hat, dem wird viel gegeben. Anders sieht es hingegen bei einer kriselnden Institution aus.
Es ist erfreulich und wünschenswert, dass sich private Stifter*innen für den Zweck der Förderung von Kunst und Kultur in Bayern engagieren. Für die konzeptionelle Arbeit des Haus der Kunst ist es jedoch zentral, dass das öffentliche Interesse sowie der konzeptionelle Markenkerns des Hauses bewahrt bleibt.
Das Haus der Kunst darf nicht in einem unerträglichen Maß auf die Förderung privater Stifter angewiesen zu sein. Gleichzeitig darf die Grundfinanzierung des Hauses sowie die inhaltliche Arbeit nicht durch die Akquise von Freund*innen oder Sponsor*innen beeinträchtig werden.
6. Es darf keine Abhängigkeit von privaten Förder*innen entstehen
Die intransparente Entscheidung um die Ausstellungsabsagen von Joan Jonas und Adrian Piper, war ein kulturpolitischer Super-GAU. Sie hat eine Schneise der Verwüstung hinterlassen, die verdiente Mitarbeiter*innen, internationale Partner*innen und renommierte Künstler*innen vor den Kopf gestoßen hat. Der Ruf des Haus der Kunst ist nachhaltig beschädigt.
Die Hintergründe der Kooperation zwischen dem Haus der Kunst und der Galerie Michael Werner sind restlos aufzuklären. Es ist beschämend, dass die Staatsregierung den Wunsch nach Vertraulichkeit bei Informationen zu Eigentumsverhältnissen an Leihgaben höherschätzt, als den transparenten Umgang mit Steuergeldern.
Es muss sichergestellt werden, dass die strukturell bedingte finanzielle Notlage des Hauses nicht von Galerien oder ‚großzügigen‘ Förderer*innen ausgenutzt wird, die das öffentliche Ansehen des Hauses zur Wertsteigerung ihres Privateigentums nutzen. Statt sich mit der Bedeutung der Ära Enwezor auseinanderzusetzen, wird die Buchhandlung im Haus der Kunst als Resterampe für unverkaufte und antiquarische Lüpertz Kataloge zweckentfremdet.
7. Der Künstlerverbund im Haus der Kunst e.V. muss gestärkt werden
In der Vergangenheit wurde der Künstlerverbund im Haus der Kunst, ehemals Ausstellungsleitung Große Kunstaustellung e.V., sukzessive seiner Rechte beschnitten. Der Künstlerverbund ist ein Gesellschafter der Stiftung, wird aber nicht als solcher behandelt. Es gilt, die Position der im Haus ansässigen bayerischen Künstler*innen ist zu stärken.
Durch ein erfolgreiches Gesamtkonzept kann es gelingen, den Künstlerverbund im Haus der Kunst in seinen Strukturen zu festigen und in die Abläufe des Hauses zu integrieren. Auf diese Weise kann an die Geschichte Münchens als Kunstmetropole angeknüpft und die Nähe zur lokalen Kunstszene sowie der Akademie der Bildenden Künste München gewährleistet werden.
Der Künstlerverbund bietet dem Haus der Kunst die herausragende Möglichkeit, den Austausch zwischen Künstler*innen in Bayern mit der internationalen Kunstwelt zu forcieren. Dies ermöglicht einen für alle Seiten gewinnbringenden Kulturaustausch, der sich sowohl in Ausstellungen als auch individuellen Beziehungen manifestiert.
8. Das Museum muss in den Stadtraum integriert werden
Das Haus der Kunst hat eine Zukunft als Institution, die sich programmatisch und künstlerisch mit den umfassenden Veränderungsprozessen der Gegenwart auseinandersetzt. Dabei bietet der Umbau des Hauses die Chance, neu zu definieren, was eine Kunstinstitution und was Wissensformen leisten können.
Gerade der angedachte Umbau des Westflügels sowie die von Okwui Enwezor in Zusammenarbeit mit dem Architekten David Chipperfield konzipierte Multifunktionsbühne setzen hier die institutionelle Entwicklung des Haus der Kunst konsequent fort.
Jahrelang wurde in das Haus der Kunst nicht investiert, weswegen die Modernisierung u.a. der technischen Anlagen dringend Not tut. Gleichzeitig muss das Haus der Kunst umfassend in den umliegenden Stadtraum integriert werden, sodass die Wegführung aus allen umliegenden Bereichen organisch zum und in das Haus der Kunst verläuft.
Zentraler Maßstab des geplanten Umbaus, und somit der zukünftigen Integration des Haus der Kunst in die bauliche Struktur der Stadt München, ist das Bewusstsein für die Geschichte des Gebäudes. Dies stellt eine Aufgabe dar, die in enger Abstimmung mit der Stadt München sowie der Münchner Stadtgesellschaft entwickelt und diskutiert werden muss.
9. Das Haus der Kunst ist ein zentraler Baustein bayerischer Kulturpolitik
Der Freistaat Bayern fördert Kunst und Kultur in einem erheblichen Maß. Als renommiertes Haus auf dem Gebiet der internationalen Gegenwartskunst stellt das Haus der Kunst einen zentralen Baustein in der bayerischen Kulturpolitik dar.
Wie kaum eine andere Kulturinstitution in Bayern steht das Haus im Fokus der internationalen Öffentlichkeit und ermöglicht, die Auseinandersetzung der bayerischen Gesellschaft mit seiner wechselhaften Geschichte weit über die Landesgrenzen hinaus sichtbar zu machen. Durch internationale Publikationen sowie Ausstellungskooperationen mit den bedeutendsten Kunsthäusern der Welt ist das Haus der Kunst zu einem der wichtigsten Museen für Gegenwartskunst in Deutschland geworden.
Es ist im Interesse des Freistaat Bayerns, die mit dem Haus der Kunst verbundene Erfolgsgeschichte fortzusetzen. Den Vorwürfen der intransparenten, autokratischen und illiberalen Entscheidungsfindung muss zum Wohle der Institution mit Transparenz begegnet werden.
10. Die Krise als Chance – Künstler*innen an die Macht
Seit über einem Jahr ist das Haus auf dem künstlerischen Auge blind. Dabei bietet die Krise die Chance, an die erfolgreiche Nachkriegszeit des Haus der Kunst anzuknüpfen. Unter dem kaufmännischen Gründungsdirektor Peter A. Ade genossen die im Haus ansässigen Künstler*innen umfassende Autonomie und Mitspracherechte. Die institutionelle Krise bietet die einmalige Gelegenheit, die Rechte und die Rolle der Künstler*innen im Haus der Kunst zu stärken.
Die Geschichte des Künstlerverbunds im Haus der Kunst beruht auf den Prämissen der Selbstorganisation, der Partizipation und des weltweiten Kulturtransfers. Gerade während des Umbaus kann die Vakanz einer künstlerischen Direktion genutzt werden, die international anerkannten und erfolgreichen Mitglieder des Künstlerverbunds in die künstlerischen Entscheidungsprozesse einzuweihen. Vor dem Hintergrund weltweiter Veränderung des Feldes der Gegenwartskunst, kann durch die Besinnung auf das Potential und die Geschichte der Künstlergruppen ein wichtiger Impuls von München ausgehen.
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